Evaluierung psychischer Belastungen Anna Lammert-Hejl
By Published On: 14. Mai 20256 min read

Kosten psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

Warum psychische Belastungen kein Randthema mehr sind

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind längst kein weiches Thema für „besonders sensible Mitarbeitende“ mehr, sondern einer der größten wirtschaftlichen Risikofaktoren unserer Zeit. Unternehmen in ganz Europa spüren die Folgen: steigende Fehlzeiten, höhere Fluktuation, sinkende Produktivität und enorme Kosten für das Gesundheitssystem.

Die OECD schätzt, dass psychische Erkrankungen die europäischen Volkswirtschaften jedes Jahr mehr als 600 Milliarden Euro kosten. Das sind über 4 % des Bruttoinlandsprodukts. Deutschland allein verzeichnet jährliche Kosten von rund 147 Milliarden Euro, was etwa 4,8 % des BIP entspricht. Damit sind psychische Belastungen nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch eine ökonomische Herausforderung ersten Ranges.

In diesem Artikel erfahren Sie, wie sich die Kosten zusammensetzen, was das konkret für Unternehmen bedeutet und warum präventive Maßnahmen einen klar messbaren Return on Investment liefern.


Psychische Belastungen: Was steckt dahinter?

Psychische Belastungen sind keine Diagnose, sondern ein Sammelbegriff für Faktoren, die im Arbeitskontext Stress, Überforderung oder Erschöpfung auslösen können. Dazu zählen unter anderem:

  • hoher Zeitdruck und Arbeitsverdichtung
  • ständige Unterbrechungen und Multitasking
  • Rollenkonflikte und unklare Verantwortlichkeiten
  • fehlende Handlungsspielräume
  • mangelnde Anerkennung und Unterstützung
  • Konflikte im Team oder mit Vorgesetzten

Diese Belastungen führen nicht automatisch zu einer psychischen Erkrankung, aber sie erhöhen das Risiko erheblich. Wenn sie dauerhaft bestehen, können sie in Depression, Angststörungen, Burnout oder psychosomatische Beschwerden münden. Genau hier beginnen die massiven Kosten für Unternehmen und Gesellschaft.


Volkswirtschaftliche Dimension: Zahlen – Daten – Fakten

Lange Zeit wurde das Thema „psychische Gesundheit“ als individuelles Problem betrachtet. Heute liegen umfassende Daten vor, die die ökonomischen Auswirkungen belegen.

Europa

Laut OECD und EU-Kommission belaufen sich die Gesamtkosten psychischer Erkrankungen in Europa auf mehr als 600 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht rund 4,1 % des BIP. Die Kosten teilen sich auf in:

  • 190 Mrd. € direkte Gesundheitsausgaben (Therapie, Klinik, Medikamente)
  • 170 Mrd. € soziale Folgekosten (Krankengeld, Invaliditätsrenten, Arbeitslosigkeit)
  • 240 Mrd. € Produktivitätsverluste (Fehlzeiten, Präsentismus, Erwerbsausfall)

Deutschland

Für Deutschland wurden die Kosten im Jahr 2015 auf 147 Mrd. € geschätzt – rund 4,8 % des BIP. Allein die direkten Gesundheitsausgaben betrugen im Jahr 2020 56,4 Mrd. €.

Die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen ist zwischen 2000 und 2022 um mehr als 137 % gestiegen. Mittlerweile machen psychische Diagnosen etwa 18 % aller Krankheitstage aus – Tendenz weiter steigend.

Diese Zahlen sind eindeutig: Psychische Belastungen sind nicht nur ein Humanressourcen-Thema, sondern ein zentraler Wirtschaftsfaktor.


Drei Kostenblöcke und ihre Folgen für Unternehmen

Die volkswirtschaftlichen Milliarden lassen sich herunterbrechen auf drei Hauptkostenarten, die auch jedes einzelne Unternehmen betreffen.

1. Direkte Gesundheitskosten

Darunter fallen Ausgaben für medizinische Behandlung, Psychotherapie, Medikamente oder stationäre Aufenthalte. Während diese Kosten größtenteils von Krankenkassen getragen werden, sind Unternehmen indirekt betroffen – etwa durch längere Ausfälle oder Reha-Phasen.

2. Soziale Folgekosten

Wenn Beschäftigte aufgrund psychischer Erkrankungen dauerhaft ausfallen, entstehen hohe Kosten für Krankengeld, Erwerbsminderungsrenten oder Arbeitslosengeld. Diese Kosten tragen primär die Sozialsysteme – sie schlagen sich jedoch in steigenden Beiträgen und Abgaben nieder, die wiederum Unternehmen belasten.

3. Produktivitätsverluste

Für Unternehmen am relevantesten sind die indirekten Kosten:

  • Absentismus: Mitarbeitende fehlen krankheitsbedingt, Projekte verzögern sich, Vertretungskosten steigen.
  • Präsentismus: Beschäftigte sind zwar anwesend, aber nicht voll leistungsfähig. Studien zeigen, dass dieser Effekt bis zu dreimal höhere Kosten verursacht als Fehlzeiten.
  • Fluktuation: Kündigungen aufgrund von Überlastung oder Burnout ziehen hohe Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten nach sich.

Hier entstehen die größten wirtschaftlichen Risiken – und gleichzeitig die größten Chancen für Prävention.


Fehlzeiten: Das sichtbare Problem

Psychische Erkrankungen führen im Durchschnitt zu längeren Ausfällen als körperliche Krankheiten. Eine depressive Episode bedeutet im Schnitt 6–8 Wochen Arbeitsunfähigkeit pro Jahr.

Beispielrechnung:

  • Durchschnittlicher Tagessatz eines Mitarbeiters: 300 €
  • Ausfallzeit: 40 Tage
  • Kosten pro Person: 12.000 € jährlich

In einem Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden summiert sich das schnell auf mehrere Millionen Euro.


Präsentismus: Das unsichtbare Milliardengrab

Noch schwerwiegender als Abwesenheit ist das Phänomen des Präsentismus: Mitarbeitende kommen krank zur Arbeit, leisten aber deutlich weniger. Die WHO schätzt, dass die damit verbundenen Kosten bis zu dreimal höher sein können als jene durch Absentismus.

Viele Unternehmen unterschätzen dieses Risiko, da Präsentismus nicht erfasst wird. Doch die Realität ist klar: Mitarbeitende, die erschöpft, ängstlich oder innerlich gekündigt sind, arbeiten weit unter ihrem Potenzial.


Fluktuation: Wenn Know-how verloren geht

Eine Kündigung ist für Unternehmen teuer. Schätzungen gehen davon aus, dass die Kosten pro Fluktuationsfall 20–50 % eines Jahresgehalts betragen – bei Fach- und Führungskräften oft deutlich mehr.

Die Rechnung:

  • Verlust von Know-how und Erfahrung
  • Kosten für Rekrutierung und Onboarding
  • sinkende Produktivität in der Einarbeitungsphase
  • mögliche Kundenverluste

Werden Kündigungen durch psychische Belastungen verursacht, ist der wirtschaftliche Schaden besonders hoch – und oft vermeidbar.


Psychische Belastungen und Sicherheit

Ein oft übersehener Aspekt: Psychische Überlastung erhöht das Risiko für Arbeitsunfälle. Konzentrationsmangel, Erschöpfung und innere Distanz können fatale Folgen haben – gerade in sicherheitsrelevanten Branchen.

Das österreichische Arbeitsinspektorat warnt ausdrücklich vor dem Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und Unfallgefahr. Unternehmen, die Sicherheit ernst nehmen, müssen also auch psychische Gesundheit ernst nehmen.


Warum Führung der entscheidende Hebel ist

Zahlreiche Studien zeigen: Führung hat den größten Einfluss auf das Wohlbefinden und die Motivation von Mitarbeitenden.

  • Laut Gallup 2023 sind Teams mit hohem Engagement 21 % produktiver.
  • Sie haben 37 % weniger Fehlzeiten und bis zu 65 % geringere Fluktuation.
  • Psychologische Sicherheit, faire Arbeitslastverteilung und konstruktives Feedback zählen zu den wirksamsten Hebeln.

Mit anderen Worten: Führungskräfte sind Multiplikatoren – sowohl für Belastung als auch für Gesundheit.


Der ROI von Investitionen in psychische Gesundheit

Viele Unternehmen fragen: „Lohnt sich Prävention überhaupt?“ Die Antwort ist klar: Ja.

Eine Deloitte-Studie (2020) zeigte, dass Investitionen in mentale Gesundheit einen Return on Investment von 1,5 bis 4 erzielen. Das heißt: Jeder investierte Euro bringt langfristig zwischen 1,50 und 4 Euro zurück – durch weniger Fehlzeiten, geringere Fluktuation und höhere Produktivität.


Praktische Schritte für Unternehmen

1. Frühindikatoren messen

  • Krankenstandsquote
  • Fluktuationsrate
  • Engagement- und Zufriedenheitsumfragen
  • Stress- und Belastungschecks

2. Führungskräfte befähigen

  • Training in Resilienzförderung
  • konstruktives Feedback geben
  • Konflikte professionell managen
  • psychische Warnsignale erkennen

3. Strukturelle Prävention umsetzen

  • realistische Arbeitslastverteilung
  • klare Rollen und Verantwortlichkeiten
  • flexible Arbeitsmodelle
  • gesundheitsförderliche Unternehmenskultur

4. Tabus abbauen

  • offene Kommunikation über psychische Gesundheit
  • interne Anlaufstellen und externe Unterstützung sichtbar machen
  • Wertschätzung und Anerkennung aktiv fördern


Fazit: Psychische Gesundheit ist ein strategischer Erfolgsfaktor

Psychische Belastungen verursachen Milliardenkosten – für Volkswirtschaften, Sozialsysteme und Unternehmen. Doch sie sind kein unabwendbares Schicksal.

Unternehmen, die psychische Gesundheit ernst nehmen, gewinnen auf mehreren Ebenen:

  • weniger Fehlzeiten
  • geringere Fluktuation
  • höhere Produktivität
  • mehr Innovation
  • stärkere Arbeitgeberattraktivität

Die entscheidende Frage ist nicht, ob Prävention teuer ist – sondern wie teuer es wird, nichts zu tun.


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